Andreas Schäfer
Die Schuhe meines Vaters
Meinen ersten Roman habe ich vor über zwanzig Jahren auf der griechischen Insel Amorgos begonnen; seitdem komme ich zum Schreiben immer wieder auf eine Insel, nach Paros, Aegina oder Anafi, für Tage oder – wenn es sich einrichten lässt – für einige Wochen. Dieser Schreibort liegt auf der Insel Ikaria, im Garten eines winzigen Hauses, das wir übers Internet gefunden haben. Wir waren im September die letzten Mieter, danach hat die Eigentümerin Trommeln aus den Schränken geräumt, die Decke vom Klavier gezogen und einen Kelim über den Boden des einzigen Zimmer gebreitet. Über den Winter dient es als private Musikschule. Jeden Nachmittag tragen die Kinder der Umgebung ihre Geigen, Flöten oder Klarinetten von der Straße den ehemaligen Eselspfad hinauf. Die Eigentümerin stammt aus Athen, lebt und arbeitet schon seit dreißig Jahren auf der Insel. Sie sagt: „Man darf gar nicht erst versuchen, Teil der Dorfgemeinschaft werden zu wollen. Dann wird man reich beschenkt.“
Andreas Schäfer, 1969 in Hamburg geboren, wuchs bei Frankfurt/Main auf und lebt heute in Berlin. Für sein Romandebüt „Auf dem Weg nach Messara“ (2002), erhielt er u. a. den Bremer Literaturförderpreis, „Wir vier“ (2010) wurde mit dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erschien 2020 „Das Gartenzimmer“.
Zur anstehenden Biopsie geht der Vater allein, als wollte er sein Einzelkämpferleben erst im letztmöglichen Moment aufgeben. Doch er fällt ins Koma und sein Sohn und die vom Vater getrennt lebende Mutter müssen entscheiden, wann die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt werden. Ein erschütterndes und berührendes Buch über Väter und Söhne und die unerwarteten Wege der Trauer. Aufrichtig, poetisch und einfühlsam erzählt Andreas Schäfer vom eigenen Schockzustand – vor allem aber nähert er sich dem Vater an und ihrem besonderen, nicht immer einfachen Verhältnis.

Andreas Schäfer
Die Schuhe meines Vaters | Roman | Dumont | Köln 2022 | 192 S. | 22,00 Euro
Jury-Stimme zu „Die Schuhe meines Vaters“:

Wie der Sohn in Andreas Schäfers autobiografischem Bericht nach dem Tod des Vaters eine Annäherung versucht, die zu Lebzeiten des vereinnahmenden, unberechenbar wütenden und hochempfindsamen Mannes kaum möglich war, indem er sich dessen Lebensgeschichte vergegenwärtigt, berührt mich und überzeugt mich durch den unsentimental nüchternen Zugriff zudem literarisch.
Monika Eden, Leiterin des Oldenburger Literaturhauses