LiteraTour Nord 2016/2017
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Die 25. LiteraTour Nord endete mit der Preisverleihung an Tilman Rammstedt am 04. Mai 2017. Neben dem Preisträger hatten Sabine Gruber, Olga Martynova, Teresa Präauer, Kathrin Röggla und Benedict Wells im Halbjahr zuvor auf der Tour durch die sechs norddeutschen Städte aus ihren aktuellen Büchern gelesen.
Preis der LiteraTour Nord 2017 für Tilman Rammstedt
Bei der Feier
Kaum ein anderer Preisträger der LiteraTour Nord hat für so viel Heiterkeit gesorgt wie Tilman Rammstedt.
Erste Hinweise gab es aber schon zu Beginn: Die Jury-Vorsitzende Sabine Doering hatte bei Ihrer Begrüßung vermutet, es könne im Laufe des Abends zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen, schliesslich würden in Tilman Rammstedts Geschichten Redner von herangaloppierenden Schafen davon getragen oder tauchten Personen auf, die allem ein völlig neue Wendung gäben.
Und prompt brachte Jörg Magenau gleich im ersten Satz seiner Laudatio unverhofft Bruce Willis ins Spiel: "Ich weiß nicht, wie es Bruce Willis heute Abend geht. Ich weiß noch nicht einmal, wie es Tilman Rammstedt heute Abend geht. Ich vermute: gut." In Anspielung auf Rammstedts Roman "Abenteuer meines Bankberaters", bemerkte er dann auch trocken, dass die Preissumme mehr sei, als ein überstürzter Bankraub mit Bruce Wilis abgeworfen hätte, allerdings schaffte man es mit einem Literaturpreis - anders als bei Verbrechen - nicht auf die Titelseite einer Zeitung. Außerdem zähle Preise entgegenzunehmen zwar zu den erfreulichen Nebenaspekten des Schriftstellerdaseins, doch nicht unbedingt zu dessen primären Talenten. Aber Preise seien wichtig, denn Schreiben sei ein labiler Existenzzustand und sie bedeuten Bestätigung.
Doch genauso prompt und in schönem Widerspruch dazu erwies sich Tilman Rammstedt als sehr talentiert, aus dem Ungelenken, Leichtigkeit hervorzuzaubern und aus den Erfahrungen seiner Schreibblockaden Funken zu schlagen und ein großes Publikum in aller Bescheidenheit damit zu unterhalten. Er trug kleine Texte vor: verschiedene Miniaturen und sehr ernsthaft eine hochkomische, lange Aufzählung aller Spielarten der Liebe und warum sie nicht lohnen.
Das alles bestätigte, was die Jury in ihrer Begründung zum aktuellen Roman "Morgen mehr" schrieb: "Tilman Rammstedts Roman ist zutiefst komisch und bewegend schön. Seine Figuren sind als slapstickhafte Typen angelegt und entwickeln gleichwohl Tiefe, die ihre Leser anzurühren vermag. Der Autor führt bekannte Sujets zu neuer Wahrheit, die überraschende Einsichten ermöglicht. Seine Prosa ist schlank und elegant, stets auf den Punkt erzählt. Sein Timing überzeugt dabei ebenso wie seine Textökonomie, seine Menschlichkeit ebenso wie sein Humor. Ob er sich, wie in früheren Romanen, sein eigenes China erfindet, einen melancholischen ehemaligen Bankberater auf die Suche nach dem Sinn des Lebens schickt oder nun die Zeit anzuhalten versucht – als Grenzgänger zwischen ernsten und unterhaltenden Genres hat Tilman Rammstedt eine Spielformation ganz eigenen Zuschnitts erfunden, die ihn als meisterlichen Erzähler ausweist.
Dank der VGH und der VGH-Stiftung für die Friedrich von Lenthe begrüßte und den Preis überreichte, konnten alle die gute Stimmung noch beim traditionell anschliessenden Empfang geniessen.
Portrait über Tilman Rammstedt von Lea Drabent, Wiebke Lampe und Leonie Nadollek / Hochschule Hannover.
Laudatio auf Tilman Rammstedt
Den Text von Jörg Magenau können Sie hier aufrufen und nachlesen.
Tilman Rammstedt, geb. 1975 in Bielefeld, lebt als freier Autor in Berlin. 2003 erschienen seine Erzählungen "Erledigungen vor der Feier", seither folgten die Romane "Wir bleiben in der Nähe" (2005), "Der Kaiser von China" (2008) und "Die ABenteuer meines Bankberaters" (2012) Er wurde u.a. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis 2008 geehrt. Zusammen mit den Autoren Michael Ebmeyer, Florian Werner und Bruno Franceschini bildet er die Musik- und Literaturgruppe Fön, an deren gemeinsamen Veröffentlichungen er beteiligt ist.