LiteraTour Nord 2009/2010

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In ihrer 18. Saison erfuhr die LiteraTour Nord eine schöne Veränderung: Als Lese- und Veranstaltungsort kam Rostock neu hinzu. Partner der Veranstaltungsreihe sind dort das Literaturhaus, die Universität Rostock und die „andere buchhandlung“.

Es lasen Jochen Schimmang, Angelika Overath, Nora Bossong, Helmut Krausser, Matthias Politycki und Eva Menasse.

Matthias Politycki ist der 18. Preisträger der LiteraTour Nord

Relevanter Realismus eines Restromantikers

Ein Prosit brachte Hajo Steinert mit seiner Lobrede auf den Preisträger aus – natürlich literarisch – und nahm die gut 250 Gäste der Preisverleihung auf eine imaginäre Kneipentour durch die "grandiose Prosa des Matthias Politycki" mit.

Doch zunächst begrüßte er – zur Irritation und auch zum Amüsement der Zuhörer – etliche Gäste, die sich als ebenfalls imaginierte Besucher aus Polityckis reichem Figurenkosmos entpuppten. Ein emphatisches Verhältnis habe der Lyriker und Prosaautor zu seinen Helden, trotz aller Ironie und dazu nicht nur ein aufgeklärtes und spirituelles, sondern auch ein entdeckungsfreudiges und lustbetontes Verhältnis zur Welt, urteilte Steinert und vergaß auch nicht, Matthias Polityckis Engagement für den Literaturdiskurs zu würdigen, wie zum Beispiel seine legendären Elmauer Autorentreffen, in dem doch vor allem seine Sehnsucht nach Freundschaft und sein Wunsch nach einem relevanten, neuen Realismus "um des grassierenden kulturellen Kannibalismus Herr zu werden", dokumentiert sei.

Matthias Politycki, der sich zuvor in einem Interview der HAZ selbstironisch als Restromantiker bezeichnet hatte, konterte Hajo Steinerts zahlreiche Anspielungen auf den Geschlechterkampf, in den sich seine Protagonisten verstrickten, mit der nicht ganz ernst gemeinten Ermahnung, man möge doch ihn und sein Werk nicht gleichsetzen. Er nahm die Urkunde und Gratulation durch den VGH Stiftungsvorstand Friedrich v. Lenthe entgegen und bedankte sich mit der höchst unterhaltsamen Lesung einer frisch entstandenen, auf Tatsachen beruhenden Geschichte. Die handelte davon, wie leidvoll eine Lesung für den Autor verlaufen kann, wenn er auf überambitionierte Veranstalter trifft, die dem Interesse an Literatur auf die Sprünge helfen wollen, indem sie auch mal ins Schwimmbad einladen und den ahnungslosen Schriftsteller zum Vortragen aufs Sprungbrett nötigen.

Die Organisatoren der LiteraTour Nord hingegen durften freudig Matthias Polityckis Lob entgegen nehmen: Kein Dreimeterbrett, keine Kachelwände und Gummischläppchen! Nein - freundliche Gastgeber, engagierte Studenten und Studentinnen, die viele kluge Fragen an ihn hatten, ein freundliches, zahlreich auftretendes Publikum. Matthias Politycki hat die LiteraTour Nord so gut gefallen, daß er am liebsten auch eine LiteraTour Süd initiieren würde. Das, so meinte Martin Rector – der Jury-Vorsitzende und Koordinator der Nord Tour – augenzwinkernd, solle er mal ruhig versuchen.

Dank der freundlichen Einladung der VGH konnten alle Gäste dann noch ein reales Prosit auf Mathais Politycki ausbringen - und alle haben diese schöne Feier sehr genossen.

<i>© Mathias Botor</i>

Laudatio auf Matthias Politycki

Den Text von Hajo Steinert können Sie hier aufrufen und ausdrucken.

Laudatio

Matthias Politycki, geboren 1955 in Karlsruhe, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in München und Wien, promovierte über Nietzsches Urteile zur deutschen Literatur, seit 1990 freier Schriftsteller, unternahm ausgedehnte Reisen, veröffentlichte mehrere Romane, Erzählungs-, Gedichtbände sowie Essays, positioniert sich im Schnittpunkt zwischen Moderne und Postmoderne“, lebt in Hamburg und München.